Sonntag, 13. Dezember 2015

WTT am Baum

Ich beanspruchte für mich lange den Titel "Weltbeste Tante Tine" (WTT). Ich beanspruche für meine Nichte und meine Neffen nach wie vor, dass es sich dabei um die welttollsten aller Kinder handelt. Sie sind - klar bei der Tante, naja und vermutlich vor allem wegen ihrer Eltern - unfassbar _ hier setzt man alle guten Charaktereigenschaften ein, die es so gibt _ Kinder. Wobei ... ein bisschen gemein sind sie auch ... von mir ham se das aber nich!

Ein Herbstnachmittag in Brandenburg (the place to be - steht hier). Wir - das sind meine Brüder und der kleine Neffe - spielen Eisenbahn. Mein zu diesem Zeitpunkt gut 13 Monate alter Neffe krabbelt sich am Ohr. Das ist das sichere Zeichen dafür, dass er müde ist. Ich schlage meinem großen Bruder - das ist der Vater des kleinen Wesens - vor, einen Spaziergang mit dem Knirps zu machen. Feine Sache, meint der Bruder. Dann schläft er bestimmt, beim Spazieren schläft er fast immer. Wenn ich diesen und jenen Weg nehmen würde, könnte ich auch gleich Äpfel frisch vom Baum mitbringen. Klar.

Der Kleine und ich machen uns auf den Weg raus aus dem kleinen Dorf. 500 Meter habe ich den Kinderwagen geschoben, da ist es ganz still vor mir. Ich glaube schon jetzt an den Schlaferfolg. Sekunden später dreht sich der Kleine um und guckt mich skeptisch an. Ich meine, ihn enttäuscht schnaufen zu hören. Ich gehe weiter. 500 Meter später dreht er sich wieder um. Ich meine, ihn mit den Schultern zucken zu sehen. 500 Meter später steht ihm Enttäuschung ins Gesichtchen geschrieben. Ja. Wir sind allein. Keine Mama. Kein Papa. Nur die Tante. Im Abstand von 500 Metern geht das Spiel weiter. "Tja", sage ich, "ich kann das halt nich so gut, dit weeßte doch. Dafür kann ich andere Sachen. Wenn du alt genug bist, gehen wir zusammen in die Kneipe!" Das Kind lächelt und dreht sich fortan nicht mehr um.

Wir schieben weiter. Über Feld- und Waldwege gelangen wir fast ins nächste Dorf und ich drehe wieder um. Wir kommen am Apfelbaum vorbei. Nur diesen kann der Bruder mit seiner Angabe gemeint haben. Wir halten an. Das Kind guckt neugierig aus seinem Wägelchen hervor. Ich recke mich den Äpfeln am Baum entgegen. Ich bin keine Giraffe, aber ich bin auch nicht klein - trotzdem ist kein Rankommen. Das Kind schmunzelt. Ich ziehe beherzt an einem der Äste, damit er weiter runter und mein anderer Arm an die Äpfel kommt. Fehlanzeige. Der Ast schnellt empor und wirft Laub auf mich. Das Kind zieht seinen Schnuller aus dem Mund, um mir ein breites Grinsen zu zeigen. "Ja, lach nur", sage ich, "wir machen gleich eine Räuberleiter und es ist noch nicht geklärt, wer unten ist!" Das Kind kichert. Ich gehe um den Baum und suche nach einer Stelle, um raufzuklettern. Ich finde eine und wage den Einstieg zum Aufstieg. Nur passt der Raum zwischen den Ästen nicht zur Größe meiner Füße, wie auch immer ich sie drehe. Ich komme nicht hoch, mein Hintern hängt nach unten, ich will mich Kraft meiner Arme nach oben ziehen, ich ziehe, ich mache, ich turne, ich tu ... ich plumpse nach unten. Arsch voran. Mir folgen Blätter und vier Äpfel. Das Kind lacht laut und biegt sich nach vorn. "Jahaahaha, lach du nur, du Gurke!" Ich glaube, das Kind hält sich sein Bäuchlein.

Wir schieben wieder ab. Wir lachen beide. Einen Apfel teilen wir uns, die anderen drei liefern wir ab. Dass das Kind nicht geschlafen hat, kommentiert der große Bruder mit "Man darf es nicht zu sehr wollen". Dass es nur drei Äpfel sind, kommentiert der große Neffe mit "Du hast die vollkommen falsche Technik beim Baumklettern!". Sein kleiner Bruder schläft lächelnd ein.

Sonntag, 4. Oktober 2015

Hinter sich lassen

Schlafend wirkst du aus als wäre ein Baumstamm in mein Bett gefallen. Alle zwei Minuten schnarchst du grunzend auf. Gut. Als ich dich vorhin zum dritten Mal angestupst hab und nichts passierte, dachte ich für einen Moment, du hast dein Leben ausgehaucht. Und ich ein Problem. Ich wollte einen Eimer kaltes Wasser über dir ausschütten, dich bestrafen für all den Scheiß und mich erfreuen. Geht nicht. Ist ja mein Bett. 

Das sollte nicht mehr sein. Wir hatten mal eine "Freundschaft plus". Macht man so in unserer Generation. Friends with benefits, Freunde mit gewissen Vorzügen ... ein Anruf und nur Sex frei Haus geliefert. Heiß und gut. Die Gefühle bleiben kalt.

Sowas geht trotzdem immer schief. Bei uns mit großem Drama. Das hast du angezettelt. Und ich habe den Schlussstrich gezogen. Als ich mit meinen Brüdern drohte, war Ruhe. Wir hatten das geklärt, wir konnten Monate später doch wieder einfach nur Freunde sein. Und alles war (wieder) gut.

Und jetzt fängst du wieder an. Rufst nachts immer und immer wieder an, obwohl ich nicht rangehe. Klingelst nach Mitternacht an meiner Tür. Sagst, dass ich das nicht falsch verstehen soll, du die Fehler und Fehlinterpretationen nicht wiederholen wirst, es dir dieses Mal nur um Sex geht, nichts weiter. Nur Sex, keine Gefühle, keine Nähe, nur Sex. Das wird nicht passieren, das weißt du, sag ich. Never, sag ich. Never ever. Okay, sagst du. Setzt dich. Und erzählst von deinem Tag. Und dem davor. Und dem davor. Und dem davor. Und trinkst Wein. Du wühlst dich durch meine CD's und legst Boy ein. Ohhhhh, boy ...

Mein Musikgeschmack sei gut. Meine Anlage schlecht. Dein Frauengeschmack sei schlecht. Was Beziehungen betrifft. Der für die Kerben in deinem Bett nicht. Da sei ich aber nicht eingeritzt, sagst du, da gehöre ich nicht hin, ich sei zu gut. Aber deinen Jungs hast du trotzdem von uns erzählt. Denn ihr habt einen Deal: die, die der Kumpel mal im Bett hatte, die ist unantastbar für alle Zeiten. So ein Männerfreundschaftendingens. Kann ich nicht verstehen, sagst du, auch wenn ich ein krasser Typ bin. Mädchen, du hast keine Ahnung, sagst du. Dann lassen mich die Arschlöcher in Ruhe, versprichst du. Das sei Ehrensache. Und ich eine Prinzessin.

Ich bin müde. Das macht mich alles so müde. Ich geh in mein Bett, dämmere langsam weg. Mit der Decke kommst du von der Couch gekrabbelt. Nur kuscheln, mehr nicht, sagst du. Legst dich hin und greifst zu. Meine Rippen zwischen deinen Pranken, mein Bauch auf deinem. Fünf Minuten. Mein Kopf zwischen deiner Achsel und deinem Hals vergraben. Zehn Minuten. Drehen. Dein Bauch an meinen Rücken gedreht. Deine Hand in meine gegraben vor meiner Brust. Deine Hand auf meiner Hüfte. Dünn, sagst du, iss mehr. Das nächste Mal bringst du was mit, sagst du. Drehen. Meine Beine werden über deine gelegt, der Kopf auf deine Schulter und du grunzt zufrieden. Jetzt haben wir eine Kuschelschaft minus, oder wie? Jedes Mal, wenn ich mich wegdrehen will, ein "pssssssst, bitte bleib". Bis zum Morgengrauen.

Ich gehe. Einen Kaffee stell ich dir noch ans Bett und lass dich liegen.

Mittwoch, 24. Juni 2015

Begegnung mit dem Yeti

Yeti.... Ich! Ich! Ich! Ich habe ihn gesehen. Er existiert. Wirklich.

Es ist ein Mann in brauner Cordhose, welche an den Knien leicht ausgebeult ist. Darüber trägt er einen Arbeitskittel in einem strahlenden Blaumannblau. Auf dem Kopf hat er eine Schiebermütze, aus der verschmitzt sein graues Haar blitzt. Er steht auf einer Leiter und repariert an der Front seiner Heimstatt. Er arbeitet konzentriert und blickt sich nicht um. Er merkt nicht, dass ich meinen schnellen Schritt abrupt unterbreche und wie angewurzelt stehe. Und die Augen aufreiße, bevor mir ein nervöses Grinsen über das Gesicht huscht. Ich greife zum Handy und nestle an der Kamerafunktion herum, schieße schnell ein Foto. Aus der Ferne. Ich traue mich das nicht aus der Nähe. Ich schicke das Bild meinem Bruder und er reagiert sofort: "dor yeti of se kleinstadt?!?!" Das seltsame Denglish erklärt sich vermutlich aus seinem nicht minder zwischen Euphorie und Schock gefangenen Zustand, dass mir der Fotobeweis gelungen ist.

Dieser Mann ist "Dreller, Klaus"* Der Mann, der nie existierte. Der "Bourne, Jason" meines, unseres Lebens. Eine Geschichte mit vielen Episoden. Eine Legende auf kleinem Raum. Der Mann, den niemand kennt. Ein Mann, den nie jemand gesehen hat. Mein Großvater hat oft von ihm erzählt. Ich habe nie an ihn geglaubt. In meiner Erinnerung hat Opa trotzdem fast jeden Tag von ihm gesprochen. Unbeirrt von meinem verzogenen Lächeln und den rollenden Augen, sobald die Sprache auf "Dreller, Klaus" kam. Ist es eine Frage der Generation oder der Kleinstadt? Mein Opa, über 90 Jahre alt, gehört zu denen, bei denen erst der Nachname und dann der Vorname genannt wird. Was schwieriger zu verstehen wird bei Menschen mit Vornamen-Nachnamen wie "Jacob" oder "Paul" oder "Klaus" ... 

Aber lassen wir das ... "Dreller, Klaus" gab es nur in dieser Wortkombination und er war für mich und meine Brüder lange ein belächeltes Phänomen im unentwegten Redefluss meines Opas. So wie wenn ich als Teenager von einer Freundin einer Freundin erzählte und eigentlich mich selbst meinte. Oder meinen Brüdern was Dummes passierte, weil der Freund von einem Freund das angeblich gemacht und auf sie geschoben hatte. Genau so hatte "Dreller, Klaus" für uns Stellvertreterfunktion. Was hatte der nicht alles schon gedacht und laut ausgesprochen, dieser "Dreller, Klaus"? Diese und jene Frau war wohl auch dabei. Feiern auch, mit Filmriss mitunter. Kleine Alltagsanekdoten türmten sich bei "Dreller, Klaus". Und so viel Wissen. Er war überall dabei, wenn die jüngere Weltgeschichte die Kleinstadt streifte und müsste demnach zirka 150 Jahre alt sein. Er konnte alles, der Dreller, zumindest wusste er alles mindestens besser. Und wenn Opa von ihm sprach, so glaubten wir, dass er von sich selbst sprach und sich Dreller nur ausgedacht hatte. Wie wir wurde auch unser Vater älter, fing an seine Kollegen erst beim Nach- und danach den Vornamen zu nennen und beteuerte eines Tages, dass "Dreller, Klaus" existieren würde. Darüber lächelten wir. Selbst eine Adresse nannte er, an der man den Dreller finden könne. Keiner von uns überprüfte das. Einen Mythos (zer)stört man nicht. Eine so schöne Lüge überführt man nicht. Und dann steht er plötzlich da. Auf der Leiter. Konzentriert und vertieft in seine Arbeit. Man stört ihn nicht. Man geht einfach weiter. Und teilt das Beweisstück nur mit seinen Lieben.

* Aus Rücksicht auf den Yeti habe ich seinen bürgerlichen Namen verfremdet.  

Sonntag, 7. Juni 2015

In meinem Kühlschrank übernachten keine Haferflocken

Ich bin einer der Menschen, die fest an den Satz "Du bist, was du isst" glauben. Und ich bin - wie jeder andere auch - gerne gesund. Ich bin daher auch ein Mensch mit großer Affinität zum gesunden Essen und mit großem Interesse für Blogs und Websites, die sich mit diesem Thema befassen und interessante Rezepte bieten. Doch was ich da so zum Lesen serviert bekomme, geht mir langsam gehörig auf die Eier ...

Nun wurde mir zum wiederholten Male ein Rezept für "overnight oats" vorgeschlagen. Ja, ganz recht. Über-Nacht-Haferflocken ... da lässt man Haferflocken mit weiteren Zutaten eine Nacht schön durchweichen und hat am Morgen danach ein leckeres Müsli. Das ist jetzt natürlich meine sehr verknappte Darstellungsweise. Die übernachtenden Haferflocken sind im Internet gefühlte 100 Rezepte wert, die sich im Ablauf stark ähneln:
- am Abend: Haferflocken in ein Gefäß und mit Flüssigkeit aufgießen
- Zutaten wie Obst, Joghurt, Quark, Nüsse, evtl. auch Gemüse über den Mix aus Flüssigkeit und Haferflocken
-  das Gefäß verschließen oder die Müslischüssel mit Alufolie abdecken, ab in den Kühlschrank
- am Morgen: weitere Flüssigkeit dazu oder sofort genießen
Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis endlich die ersten "overnight-oats-oatschalen" im Handel auftauchen. Oder spezielle Haferflocken, deren Durchweichzeit etwas über dem Limit bisher handelsüblicher Oats liegt. Eventuell sind die genverändert, aber für ein gesundes Schüsselchen overnight oats geht das schon mal in Ordnung. Hauptsache, man is(s)t trendbewusst.

Ich finde, dass ich mein shower-power-oats-Rezept schuldig bin:
- am Morgen: Müslischüssel aus dem Schrank nehmen, Haferflocken reinschütten, x-beliebiges Obst in kleine Stücke schneiden und darauf verteilen, Flüssigkeit deiner Wahl drauf
- ab ins Bad: Toilettengang erledigen, unter die Dusche, Zähne putzen, Deo benutzen und was sonst so anfällt
- 5 bis 45 Minuten später wieder in der Küche auftauchen und Müslischüssel mit den gequollenen und durchweichten Zutaten leer futtern
- Alternativ kann man sich am Abend zuvor auch schon ein Brot oder Brötchen mit Butter oder Margarine schmieren und am Morgen mit Zutaten wie Marmelade, Wurst, Käse, etc. verfeinern (overnight butterbread)

Freitag, 1. Mai 2015

Was kosten die Kondome?

Neulich im kleinen Konsum um die Ecke, wo ausnahmsweise beide Kassen besetzt und davor lange Schlangen gebildet sind. Das passiert dort eigentlich nur, wenn es Wochenendeinkaufsvormittag an einem Samstag ist oder ein Feiertag naht und die Menschheit davon ausgehen muss, dass danach nie wieder eine Handelseinrichtung öffnen wird und dementsprechend einkauft.

Vor mir steht eine junge Frau, die in ein Tuch gewickelt ihr Baby vor Bauch und Brust trägt. So wie andere Sprengstoffgürtel. Aus der anderen Kassenschlange erhebt sich terrorartig eine Stimme: "Aaaacccchhhhhh, wannnnn it dennnnn dat kleinnne Äfffschen jeboren?!?", überdehnt die Frau aus Schlange zwei jedes Wort als ideale Einleitung für die Ferndiagnose: "dat is ja winzig, zu früüüüh?!?" Der Tonfall, irritierend für sächsische Lande, erinnert an Hella von Sinnen, die im "Gib Aids keine Chance!"-Werbespot in der Rolle der Kassiererin in voller Lautstärke ruft "Rita, wat kosten die Kondome?"* 

Ich tue es ihr mit ihrer Leidenschaft fürs gedehnte Aussprechen gleich und stöhne: "Ohhhhh, meiiiiiin Gottttttt" - obwohl mir klar ist, dass der jetzt garantiert nicht helfen wird, er hat ja auch die Frau da drüben zugelassen. Die Frau sieht auch ein bisschen aus wie Hella von Sinnen, nur eben nur halb so schwer aber doppelt so blond. Doch die junge Mutter lächelt freundlich und sagt noch freundlicher, dass ihr Kind vier Wochen alt ist und nicht zu früh auf die Welt kam.

Also ich finde es immer wieder beeindruckend, dass Menschen tatsächlich willentlich und wissentlich Kinder in eine Welt setzen, in der einem Tag für Tag so etwas widerfahren kann.

* Der ursprünglich verwendete Name “Rita” in dem Spot musste später wohl noch in “Tina” geändert werden, um einen Bezug zur einstigen Gesundheitsministerin Rita Süssmuth zu vermeiden.

Donnerstag, 9. April 2015

Der Vlog in meinem Herzen

Dieses Internet, tzzzz, es hat sich als Neuland für mich erwiesen. Vermutlich - ich will gar nicht wissen, was dieses Ding alles genau über mich weiß -, weil ich in letzter Zeit ein paar Videos der Yoga-Rebellin (was immer das nun wieder ist) Tara Stiles gesehen und nachgeturnt habe, wurde mir bei Youtube wiederum ein Video vorgeschlagen, in dem sie interviewt wird. Von einem blonden Mäuschen (ich kann den abschätzigen Ton in dieser Sache nicht lassen und: I'm not sorry...) wird sie darin bei einem Deutschlandbesuch zum Thema Lifestyle befragt. 

Von dort an wurden mir weitere Videos des blonden Mädchens vorgeschlagen und die habe ich geschaut. Und dann wurden mir weitere Videos von weiteren blonden Mäuschen vorgeschlagen. Und auch davon habe ich einige geschaut. Es muss die Floskel bedient werden:

Es war alles wie ein Autounfall - 
ich wollte nicht hin-, konnte aber auch nicht wegsehen. 

Alle diese jungen blonden (aber auch brünetten) Mäuschen haben eins gemeinsam - sie haben Vlogs, also Video-Blogs. Sie erzählen dort wort- und natürlich bildreich - und das bei unfassbar vielen Klicks - von ihrer morgendlichen und/oder abendlichen Hautpflegeroutine oder anderen Tagesroutinen. Heißt: Sie führen das alles vor. Wie sie sich das Gesicht waschen und welches Produkt sie dafür verwenden - und warum. Wie sie sich morgens Müsli oder einen Kaffee zubereiten. Oder was sie eben im Drogeriemarkt gekauft haben. Was sie für ein neues Outfit haben. Nicht fehlen darf: eine immer mal bis ständig ins Piepsige kippende Stimme, Aussagen wie "Die musste ich unbedingt haben" über Creme oder Mascara, Schuhe oder Hosen, Birnen oder Äpfel. Auch immer dabei: das Ziehen einer Schnute, das Halten von lächerlich bunten Nagellackfläschchen aber auch Lebensmitteln in die Kamera und noch ein paar andere Finessen, die ich mir wegen des Traumas nach dem wiederholten Unfall nun nicht alle gemerkt habe. 

Moment mal ... sollte ich vielleicht auch einen Vlog einrichten? Die Spiegelreflex-Kamera, die ich beruflich nutze hat auch eine Videofunktion. Ich könnte dann Filme ins Netz blasen, in denen ich das Übergießen meines Müslis mit Mandelmilch (diese Mädchen nehmen nie, nie, nie einfach Kuhmilch so wie ich) mit einem Ausruf der Verzückung garniere. Und dann könnte ich so tolle Tipps geben, wie sich ein paar frische Obststücke übers Müsli zu streuen, damit es abwechslungsreicher und "sooooooooo gessssunnddd" ist. Ich könnte die Müslischüssel in die eine und meinen Kopf in die andere Richtung neigen, mich freuen als hätte ich gerade erfolgreich Coq au vin zubereitet, die Schüssel abstellen und eine Haarsträhne zwischen meinen Fingern drehen und versonnen lächeln. Ich könnte dann noch erzählen, dass ich eben im örtlichen Drogeriemarkt war und die Zahnbürste, das Klopapier und die fit-Flasche "unbedingt" pieps "haben musste".

Ich könnte es auch einfach lassen und nur über meine Verwunderung bloggen. In meinem Alter macht man das so. Und schon das ist eigentlich seltsam genug. Außerdem habe ich kurze, brünette Haare und kann sie nicht zwischen meinen Fingern zwirbeln.

Ja! Ganz bewusst habe ich keinen dieser Vlogs verlinkt. Ich will keine dieser Damen im Speziellen "hervorheben", den persönlichen Neuland-Unfall könnt Ihr selbst ergoogeln, youtuben, klicken - kleiner Tipp: meistens kommen Stichworte wie "Morgenroutine", "Beauty", "HAUL" oder "HACK" vor (ich weiß auch nicht, was das alles sein soll).

Montag, 6. April 2015

Pippi-Langstrumpf-Detox

Ein langes und entspanntes Osterwochenende liegt hinter mir. Ich habe mich am Easter Social Media Detox probiert und auf Facebook, WhatsApp und - so weit möglich - das Smartphone insgesamt verzichtet. Wobei ich den Grund-Madhavi-Vorschlag also etwas abgewandelt habe. Ich habe zum Beispiel keine Strichliste geführt, wenn ich doch mal zum Telefon gegriffen habe. Und trotz Anreiz der auch angeregten und von mir angestrebten kompletten Handy-Detox-Version (Digital Detox) habe ich das Telefon nicht ganz unbeachtet gelassen. "Pippi-Langstrumpf-Detox" würde ich das insgesamt nennen ... Detox - so gemacht, wie es mir gefällt. Das Ergebnis bleibt: Es hat mir nix gefehlt, am allerwenigsten das sogenannte soziale Netzwerk.


Wobei es ein Aber gibt. Wie immer. Da ich als Lokaljournalistin über gute Infos und Kontakte zu örtlichen Feuerwehr verfüge, haben mich zwei Einsätze am Sonntagmittag notgedrungen zum Smartphone greifen lassen. Eine Zwangshandlung, möchte ich betonen ... Der Fotografenkollege hat sich daran gewöhnt, dass ich ihm bei heulender Sirene die Einsatzorte via WhatsApp-Nachricht durchgebe. An dieser Stelle habe ich meinen Detox-Kodex des Wochenendes also verletzt. Diese kurze Zeit des Onlineseins - beide Einsätze fanden zum Glück für das Detoxen in kurzer Folge statt - habe ich ausschließlich dafür genutzt, den Kollegen zu informieren und die bis dahin 23 auf meinem Account eingegangenen Nachrichten komplett ignoriert und sie ungelesen gelassen.

Und? Mir fehlte nix, kein Gefühl des Verpassens oder der Neugier stellte sich bei mir ein. Vielmehr ein Gefühl der Entlastung. Keine unnötigen Informationen fluteten mein Hirn. Ich habe lieber echte Bücher gelesen.

Ich habe ansonsten ganz bewusst - ein- bis zweimal täglich - zum Smartphone gegriffen. Und zwar dann, wenn es mir wichtig - und das hieß für mich vor allem familiär - war. Freundlicherweise hat mein Handy nämlich eine Ruhefunktion, die man zu bestimmten und programmierbaren Zeiten oder zwischendurch einlegen kann. Oder eben auch mal ein ganzes Wochenende. Ich habe die Funktion so programmiert, dass nur meine Familienmitglieder und beste Freunde durchgestellt werden. So tauschte ich SMS mit meinen Brüdern aus. Ich detoxe doch nicht vor meinen Brüdern!

Die Auszeit von den Zeiträubern tat gut

Denn es stimmt: Man gewinnt Zeit ohne das Smartphone, ohne Facebook und ohne den ganzen anderen Kram. Ich habe diese sinnvoll genutzt und meine komplette - eigentlich schon sehr vorbildlich ordentliche - Wohnung auf den Kopf gestellt, fein säuberlich entrümpelt und an manchen Stellen umgestaltet. Zwischenzeitlich sah es nach einem Einbruch aus, bei dem kriminelle Subjekte sämtliche Schrank- und Regalinhalte wild verstreut haben. Beim Aufräumen habe ich Ballast abgeworfen, viele Dinge (auch in meinem Kopf) sortiert und Kram neu arrangiert.

Drei Säcke für die Altkleidersammlung, eine Kiste für das offene Leih- und Tauschbücherregal der örtlichen Initiative, gut und gerne fünf Kilo Altpapier (Zeitschriften ohne Ende) und drei eingetrocknete Nagellackfläschchen später sieht es nun gewohnt wohnlich und aufgeräumt frisch aus.

Eine ganze Wand habe ich durch Umsortierung von einem Regal befreit und erfreue mich nun am Blick auf die jungfräulich weiße Fläche. Ein bisschen lieb gewonnener Firlefanz ist trotz der großen Aufräumaktion noch da. Ich habe immer noch mehr Bücher als Zeit sie alle zu lesen, einen Schrank voller nix anzuziehen, mehr Schuhe als Gelegenheiten sie zu tragen, mehr Mascara als Wimpern und eine Flasche pinken Nagellack, den ich vermutlich erst in fünf Jahren mal wieder aus einer Laune heraus auf die Zehennägel bringen werde ... mein Buden-Detox fühlt sich trotz dieser Sachen, bei denen die heiligsten aller Detoxer vielleicht laut "Doppelmoral" schreien wollen, fabelhaft und befreiend an.

Detox ... ein blödes Wort eigentlich ...

Es ist nach wie vor in aller Munde, Trend und Thema, alles und alle sind scheinbar im Detox-Wahn (siehe Easter Social Media Detox) ... Schaue ich mich allein mal in der örtlichen Buchhandlung um, umzingeln mich Titel zum Detoxen aller Art - Detox mit Yoga, Detox mit Yin und Yang Yoga, Detox mit grünen Smoothies, Easy Detox mit Wildkräuter-Smoothies, Green Detox, Detox Coach, Beauty Detox Plan, Simple Detox, Detox-Kochbuch, Detox - Ganzheitlich entgiften, Body Detox, Vegan leben - Detox, usw., etc. ... sogar spezielle Musik wird angeboten.

Der Ratgeberliteratur anhaftend, hätte ich das vergangene Wochenende also neben Handy- und Buden-Detox, sprich Entrümplung, gleich zu noch mehr Reinigung, Entgiftung, Entschlackung und Neustart nutzen können ... um nach Ostern eine Wiedergeburt als unfassbar fitter, gesunder, strahlend schöner Mensch zu feiern, der sich unheimlich wohl in seinem Körper fühlt? (Gesundheit, Fitness, Schönheit, besseres Körpergefühl versprechen die Detox-Ratgeber allesamt)

No, no, no! Da bin ich für Detox-Detox ... 

Ich glaube nicht, dass sich eine große Wunderkur einstellen würde, wenn ich nur pürierten Spinat trinke und vier Stunden täglich auf meiner Yogamatte zubringe. Das mache ich doch schon jeden Tag ... Spaß beiseite: Ein bisschen Spaß muss sein ...Ich glaube nicht, dass eine in so manchem dieser Bücher vorgeschlagene Darmspülung einen hohen Spaßfaktor mit sich bringt. Warum komplett auf Koffein verzichten, wenn man grünen Tee und Espresso gelegentlich gerne schmeckt? Wieso Grünkohl zu einem Smoothie pürieren, wenn man würgen möchte bei dem Geschmack? Wieso verkrampft entschlacken, wo es nichts oder kaum etwas zu entschlacken gibt? Warum zwanghaft nach Optimierung streben, wenn man sich wohlfühlt? Warum Omas selbstgebackenen Kuchen wegen "bösem" Weißmehl strikt ablehnen? Was ist denn da mit dem Wichtigsten, der Lebensfreude?

Detox-Potenzial und -Not kann ich bei mir nicht gerade erkennen. Und: Ich kaufe - so gut möglich - regional und saisonal, verzichte nach Möglichkeit auf unnützen Verpackungsmüll und trage meinen Wocheneinkauf die knapp 800 Meter vom Konsum in einem Stoffbeutel nach Hause. Ich konsumiere gerne und sehr häufig Bio-Produkte. Aber nicht ausschließlich. Wobei ja kaum was "bioer" sein könnte als die selbstgemachte Marmelade meiner Schwägerin, die sie aus Früchten aus ihrem eigenen Garten oder den Wäldern Brandenburgs kurz hinter ihrem Haus zubereitet und die sie in wieder verwendete Bio-Gemüsestreichgläser füllt. Und mein Neffe imkert selbst Honig, der ist lecker und erinnert mich immer an ihn, wenn ich mir heißen Ingwer-Zitronen-Honig-Mix zubereite. Würde ich moderne Ratgeberliteratur schreiben, man könnte es "Soulfood" nennen.


Ich denke nicht über mein Essen nach, ich esse nach Lust und Laune. Mein Körpergefühl ist obendrein bestens. Das alles passiert unverkrampft, undogmatisch und einfach nur, weil es mir so am allerbesten schmeckt, mir gerade besonders Spaß macht und mein Appetit einfach gesund is(s)t.

Klar könnte ich auch mal eine Weile auf das Tässchen Koffein am Morgen verzichten, nur Rohkost essen oder tagelang nur Suppe aus Bio-Gemüse löffeln und so mal so richtig entschlacken. Aber wenn ich in mich und meinen Körper hineinhorche - macht man wohl so, sagen die Ratgeber - höre ich keinen Detox-Bedarf. Jetzt nur zwecks Detox- und Selbstoptimierungswahn und weil es - angeblich - alle machen, pürierten Grünkohl zu mir zu nehmen, fände ich krampfig belastend und erfreue mich lieber an "Sünden" wie dem Glas Sekt, das mir eine Freundin am Samstag beim Bummel durch die Stadt ausgab und das mein Wochenende so schön versüßte.

Ein Buch "Detox mit Yoga" hab ich mir übrigens trotzdem noch gekauft - schon weil ich dem örtlichen Buchhändler so gerne beim Detoxen seiner Regale helfe. Das gute und informative Buch beinhaltet auch eine CD, auf der unter anderem Atem-Übungen von der warmen, weichen Autorinnenstimme angeleitet werden. Atem-Übungen kommen bei mir und meiner Art Yoga (täglich, und täglich bis zu einer Stunde) sonst gerne mal zu kurz, daher habe ich frei gewordenen Platz im Bücherregal und die Liste zu lesender Bücher einfach wieder gefüllt.


Und nachher - vermutlich nach einer kleinen Pippi-Langstrumpf-Yogasession, die Regeln mache hier nämlich ich - schau ich mal wieder zu Facebook. Vielleicht ... Sehr wahrscheinlich, nur um festzustellen, dass ich absolut nichts verpasst habe und mich dann in die Arbeit zu stürzen: Detox der "Freundes"liste!


UPDATE: War bei Facebook und anderen. Mein Mail-Postfach quillt über. Dazu mittlerweile 28 WhatsApp-Nachrichten (zum Großteil unwichtig), fünf Facebook-Nachrichten (ebenfalls größtenteils unwichtig), 24 sonstige Facebook-Benachrichtigungen (erst recht sinnlos) und vier Freundschaftsanfragen. Ich habe aber erstmal meine "Freundes"liste um 30 gekürzt und werde vermutlich noch weitere Karteileichen entfernen.

Mittwoch, 1. April 2015

Fasten-Kur

Danke, ich verzichte ... Vor wenigen Tagen saß ich mit zwei lieben Freunden auf meiner Couch, wir tranken Kaffee und Tee und unterhielten uns einfach nur nett. Dazu löffelten wir Eis. Ein einfach netter Nachmittag. Dann vernahm ich, dass mein Freund verkündete, sich von jenen Facebookfreunden entfreunden zu wollen, die eine von ihm erstellte Produktseite auch nach mehrmaliger Einladung nicht liken würden beziehungsweise liken wollen ...nicht um ein rhetorisches Mittel zu bedienen, sondern tatsächlich schoss mir ein "Mooooomennnnt mal!" durch den Kopf und der begann zu rattern, ob diese angeblich sozialen Netzwerke zu einem Maß der Dinge geworden sind, das sie keinesfalls sein dürften ...

Wenig später stieß ich - Ironie unseres multimedialen Schicksals - über das soziale Netzwerk auf einen Beitrag meiner neuesten Blog-gerne-lesen-immer-neugierig-drauf-Entdeckung Madhavi, die genau das propagiert, was mir nun wie "Faust auf Auge" und "Arsch auf Eimer" sehr gut in den Kram meiner Gedanken passt:


Lest den Madhavi-Text wirklich mal durch und denkt drüber nach, einfach oben auf den Link klicken! Aber kurz gesagt: Man verzichtet ein paar Tage auf die sozialen Netzwerke und am besten macht man gleich einen "Digital Detox" daraus und lässt auch das Smartphone links oder rechts ... oder auf irgendeinem Tisch oder in der Handtasche oder sonstwo liegen ... Mach ich! ... also ich versuche es zumindest ...

Weil ich ein kleiner Streber mit Hang zur Weltverbesserung bin, habe ich den Link zum "Social Media Detox zu Ostern" via Facebookmessenger und WhatsApp-Nachricht (haha, jaja, ich weiß um die latente Dummheit dabei) an Freunde versendet. Einer meiner Kumpels sprang sofort darauf an und plant mit zu detoxen. Als wir uns gestern zum Kaffee trafen, griff er wie immer wiederholt zu seinem Smartphone, stockte dann irgendwann angesichts seiner Sucht und zeigte mir stolz das Profilbild, welches er für seine Zeit des Fastens bei WhatsApp nutzen will: es zeigt einen gezogenen Stecker, um dann wenig später wieder nach dem Handy zu greifen. Ich schob meines derweil vom Tisch in die Tasche. Auch ein Anfang.

Ich habe den Madhavi-Text natürlich auch auf meiner Facebook-Seite verlinkt und gepostet als "lesens- und umsetzenswert". Keiner meiner knapp 300 "Freunde" hat das bislang mit einem Like versehen. Na, wenn das mal nicht Konsequenzen hat ...

Sonntag, 22. März 2015

Warum das denn?

Warum denn nicht? Seit fast drei Jahren blogge ich bereits auf Jacobs Wege über mein Leben als Lokaljournalistin.

Nach ausgiebiger Recherche habe ich festgestellt: Es gibt noch einen Haufen Momente im Leben, die haben mit (Lokal)Journalismus nichts oder nur insofern etwas zu tun, dass sie einer Lokaljournalistin (also mir) widerfahren.

Es gibt so Momente im Leben, da will man einfach nur sagen "Moment mal!" - aus verschiedensten Gründen.

Wenn der Kunde vor dir den seit Jahrzehntnen hier lebenden und ursprünglich aus Vietnam stammenden Obst- und Gemüsehändler bei der Bestellung einer Obstplatte immer wieder fragt "Du haben verstanden?!?", willst du doch "Moment mal!" sagen. Wenn die Frau im Yoga-Kurs neben dir so ausgiebig von sich redet, dass die ersten 15 Minuten ohne Asana aber mit Aggression vergangen sind, willst du doch "Moment mal!" sagen. Wenn der Mensch dir gegenüber Blödsinn erzählt, willst du mit "Moment mal!" ins Wort fallen, oder nicht?

Und dann gibt es natürlich noch viele Momente im Leben, da bist du ein bisschen Goethe und willst dem Augenblick sagen, er solle "Moment mal!" bitte verweilen ...

Ich finde ja, sowas kann man auch mal aufschreiben ... so denn ... in Zukunft mehr ...