Freitag, 1. Mai 2015

Was kosten die Kondome?

Neulich im kleinen Konsum um die Ecke, wo ausnahmsweise beide Kassen besetzt und davor lange Schlangen gebildet sind. Das passiert dort eigentlich nur, wenn es Wochenendeinkaufsvormittag an einem Samstag ist oder ein Feiertag naht und die Menschheit davon ausgehen muss, dass danach nie wieder eine Handelseinrichtung öffnen wird und dementsprechend einkauft.

Vor mir steht eine junge Frau, die in ein Tuch gewickelt ihr Baby vor Bauch und Brust trägt. So wie andere Sprengstoffgürtel. Aus der anderen Kassenschlange erhebt sich terrorartig eine Stimme: "Aaaacccchhhhhh, wannnnn it dennnnn dat kleinnne Äfffschen jeboren?!?", überdehnt die Frau aus Schlange zwei jedes Wort als ideale Einleitung für die Ferndiagnose: "dat is ja winzig, zu früüüüh?!?" Der Tonfall, irritierend für sächsische Lande, erinnert an Hella von Sinnen, die im "Gib Aids keine Chance!"-Werbespot in der Rolle der Kassiererin in voller Lautstärke ruft "Rita, wat kosten die Kondome?"* 

Ich tue es ihr mit ihrer Leidenschaft fürs gedehnte Aussprechen gleich und stöhne: "Ohhhhh, meiiiiiin Gottttttt" - obwohl mir klar ist, dass der jetzt garantiert nicht helfen wird, er hat ja auch die Frau da drüben zugelassen. Die Frau sieht auch ein bisschen aus wie Hella von Sinnen, nur eben nur halb so schwer aber doppelt so blond. Doch die junge Mutter lächelt freundlich und sagt noch freundlicher, dass ihr Kind vier Wochen alt ist und nicht zu früh auf die Welt kam.

Also ich finde es immer wieder beeindruckend, dass Menschen tatsächlich willentlich und wissentlich Kinder in eine Welt setzen, in der einem Tag für Tag so etwas widerfahren kann.

* Der ursprünglich verwendete Name “Rita” in dem Spot musste später wohl noch in “Tina” geändert werden, um einen Bezug zur einstigen Gesundheitsministerin Rita Süssmuth zu vermeiden.