Sonntag, 4. Oktober 2015

Hinter sich lassen

Schlafend wirkst du aus als wäre ein Baumstamm in mein Bett gefallen. Alle zwei Minuten schnarchst du grunzend auf. Gut. Als ich dich vorhin zum dritten Mal angestupst hab und nichts passierte, dachte ich für einen Moment, du hast dein Leben ausgehaucht. Und ich ein Problem. Ich wollte einen Eimer kaltes Wasser über dir ausschütten, dich bestrafen für all den Scheiß und mich erfreuen. Geht nicht. Ist ja mein Bett. 

Das sollte nicht mehr sein. Wir hatten mal eine "Freundschaft plus". Macht man so in unserer Generation. Friends with benefits, Freunde mit gewissen Vorzügen ... ein Anruf und nur Sex frei Haus geliefert. Heiß und gut. Die Gefühle bleiben kalt.

Sowas geht trotzdem immer schief. Bei uns mit großem Drama. Das hast du angezettelt. Und ich habe den Schlussstrich gezogen. Als ich mit meinen Brüdern drohte, war Ruhe. Wir hatten das geklärt, wir konnten Monate später doch wieder einfach nur Freunde sein. Und alles war (wieder) gut.

Und jetzt fängst du wieder an. Rufst nachts immer und immer wieder an, obwohl ich nicht rangehe. Klingelst nach Mitternacht an meiner Tür. Sagst, dass ich das nicht falsch verstehen soll, du die Fehler und Fehlinterpretationen nicht wiederholen wirst, es dir dieses Mal nur um Sex geht, nichts weiter. Nur Sex, keine Gefühle, keine Nähe, nur Sex. Das wird nicht passieren, das weißt du, sag ich. Never, sag ich. Never ever. Okay, sagst du. Setzt dich. Und erzählst von deinem Tag. Und dem davor. Und dem davor. Und dem davor. Und trinkst Wein. Du wühlst dich durch meine CD's und legst Boy ein. Ohhhhh, boy ...

Mein Musikgeschmack sei gut. Meine Anlage schlecht. Dein Frauengeschmack sei schlecht. Was Beziehungen betrifft. Der für die Kerben in deinem Bett nicht. Da sei ich aber nicht eingeritzt, sagst du, da gehöre ich nicht hin, ich sei zu gut. Aber deinen Jungs hast du trotzdem von uns erzählt. Denn ihr habt einen Deal: die, die der Kumpel mal im Bett hatte, die ist unantastbar für alle Zeiten. So ein Männerfreundschaftendingens. Kann ich nicht verstehen, sagst du, auch wenn ich ein krasser Typ bin. Mädchen, du hast keine Ahnung, sagst du. Dann lassen mich die Arschlöcher in Ruhe, versprichst du. Das sei Ehrensache. Und ich eine Prinzessin.

Ich bin müde. Das macht mich alles so müde. Ich geh in mein Bett, dämmere langsam weg. Mit der Decke kommst du von der Couch gekrabbelt. Nur kuscheln, mehr nicht, sagst du. Legst dich hin und greifst zu. Meine Rippen zwischen deinen Pranken, mein Bauch auf deinem. Fünf Minuten. Mein Kopf zwischen deiner Achsel und deinem Hals vergraben. Zehn Minuten. Drehen. Dein Bauch an meinen Rücken gedreht. Deine Hand in meine gegraben vor meiner Brust. Deine Hand auf meiner Hüfte. Dünn, sagst du, iss mehr. Das nächste Mal bringst du was mit, sagst du. Drehen. Meine Beine werden über deine gelegt, der Kopf auf deine Schulter und du grunzt zufrieden. Jetzt haben wir eine Kuschelschaft minus, oder wie? Jedes Mal, wenn ich mich wegdrehen will, ein "pssssssst, bitte bleib". Bis zum Morgengrauen.

Ich gehe. Einen Kaffee stell ich dir noch ans Bett und lass dich liegen.