Freitag, 2. März 2018

Brennen

Wie Marsellus Wallace' Frau. Nach der Adrenalinspritze. Jede Nacht. Jede Nacht um drei. Immer. Wach gespritzt wie Marsellus Wallace' Frau nach der Adrenalinspritze. Es gibt nur keine Spritze. Wenn, sitzt sie irgendwo unter der Haut. Keine Party, keine Drogen, keine Fussmassage davor.

Ins Bett gelegt als sei der Körper aus Teig. Schwerer und breiter als er ist fühlt er sich an. Irgendwie unkontrollierbar. Wie Watte voll Wasser gesogen. Unbeweglich, zerrig, dumpf. Der kaputte Teig. Die Adrenalinspritze kommt. Herz rast. Keine Ruhe mehr. Eine Stunde lang. Wegdämmern, der Teig wird schwerer.

Jeden Morgen danach kraucht der Teig aus dem Bett, strafft sich, dass bloß keiner was merkt. Funktionieren ist das letzte, was noch funktioniert. Schutt und Asche sonst. Zu viel Arbeit. Zu wenig Geld. Zu viele Sorgen. Zu viele Probleme. Zu wenig Lösungen. Keine Hilfe gesucht. Die falschen Männer zur falschen Zeit, die richtigen Männer zur falschen Zeit. Zu viel Alkohol. Zu wenig Appetit.

Das Brennen der Schläfen. Es kommt plötzlich. Es kommt immer öfter. Es könnte alles verraten. Jetzt gleich, denkt sie dann, jetzt gleich wird bestimmt was explodieren - ich. Die Schläfen brennen so, sie pochen, das Blut, es rauscht im Kopf. Jetzt gleich, wird der Teig explodieren. Nasenbluten. Oder Kotzfontäne. Irgendwas passiert bestimmt gleich, der Körper wird explodieren, denkt sie. Nichts. Das Brennen verschwindet. Kommt und geht.

Das Kalenderblatt sagt, dass die Monate vergehen. Sie weiß es nicht, alles taub, alles betäubt. Bis es nicht mehr geht, sagt die Ärztin. Burnout. Scheiß Lifestyleanmutung, diskutiert sie noch, als wieder die Schläfen zu brennen beginnen. Jahre später hebt die Ärztin wieder den Zeigefinger. Blutarmut und ausgewrungenes B12-Depot sind Folgen vom Raubbau dunkler Zeiten damals, sagt sie. Und dass sie nur Glück hatte, rechtzeitig den anderen Weg genommen zu haben.

Ich kann nicht mehr, wird sie ihrem großen Bruder schreiben. Der wird sie zu sich holen. Und alleine lassen. Irgendwo im Nirgendwo. Das Brennen vergeht im Nichts. In der dritten Nacht schläft sie das erste Mal seit Monaten durch. Am fünften Tag findet sie einen Ratgeber für frisch gebackene Eltern. Ein Baby, denkt sie, behandelt man immer gut. Essen, Schlaf, Fürsorge bekommt es. Sie adoptiert sich selbst. Sie päppelt sich auf. Jahre wird es dauern. 

1 Kommentar:

  1. Warum kommt mir das bekannt vor? Ich durfte "sowas" vor ein paar Jahren erleben und hatte dabei irgendwie das Glück, gerade noch rechtzeitig den Fuß vom Gas nehmen zu können.

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